interview heini staudinger februar 2015

Heini Staudinger, Inhaber von GEA und Waldviertler Schuhen in Cafe am Sonntag, 15.2.2015

Moderator:     Einen schönen guten Morgen! Mein heutiger Gast: In den Medien wird er oft salopp als Schuhrebell bezeichnet, aber ich glaube, das ist ein Attribut, das ihm und seiner Person überhaupt nicht gerecht wird. Ich freue mich hier auf diese Stunde mit Heinrich Staudinger.

HS:      Guten Morgen.

Moderator:     Herr Staudinger, wir lassen das mit dem Schuhrebell, wobei: Der Kreis würde sich ja im Kaffeehaus schließen. Denn da hat s ja begonnen. So will es die Legende. Ist die Geschichte richtig, dass in einem Kaffeehaus im 8. Bezirk in Wien der Schuhfabrikant HS quasi alles entdeckt hat.

HS:      Ich bin bei einer Prüfung im Medizinstudium durchgefallen.
Und ich habe gelernt mit einem Peter. Und der Peter hat einen reichen Vater gehabt. Und der Peter ist durchgekommen und hat vom Vater 10000 Schilling gekriegt. Und mit die 10.000 Schilling ist er shopping gefahren.

Das war damals relativ eine seltene Beschäftigung für junge Leute, aber der Peter war ein Einzelkind von einem praktischen Arzt und da war Kohle da. Und der Peter ist nach München gefahren und hat sich dort Schuhe gekauft, die sie in Österreich nicht gegeben hat. Und wir haben uns im Kaffeehaus getroffen und der Peter hat geschwärmt von den Schuhen, die er da gekauft hat und die gibt’s in Österreich nicht.

Und ich habe den Kopf unter den Kaffehaustisch gesteckt und habe mir die Schuhe angeschaut und der Peter hat geschwärmt und geschwärmt. Und wie ich den Kopf wieder gehoben habe, habe ich gesagt: Weißt was, Peter? Ich höre jetzt auf mit dem Medizinstudieren, ich werde jetzt Schuhhändler. Ich habe mich vorher nie für Schuhe interessiert und in dieser Sekunde sind die Würfel gefallen, die dann mein Leben geprägt haben und ich bin ein paar Tage später Autostop nach Dänemark gefahren, – die Schuhe sind von dort gekommen . Das waren die sogenannten Earth-Schuhe.Die Schuhe waren hinten ein bissl niedriger als vorne und die dänische Yogalehrerin Anne Kalso hatgesagt, das begünstigt die aufrechte Körperhaltung. Und sie hat diese Haltung den Amazonasindianern abgeschaut, die in dem weichen Boden beim Barfußgehen mit der Ferse etwas tiefer einsinken als mit den Ballen. Und sie hat deren aufrechten Gang bewundert und hat geschaut, warum gehen die so schön und hat dann probiert in einer Schuhsohle das zu realisieren oder wiederzugeben, was uns die harten Böden nehmen und hat dann das Konzept vom Earth-Shoe entwickelt.

Die Schuhe hats also in Österreich nicht gegeben, ich bin mit Autostopp dort angekommen, habe gesagt, ich möchte eure Schuhe in Österreich verkaufen. Die haben gesagt: Super. Dann habe ich gesagt, ich kenne mich nicht aus im Schuhhandel, sie sollen mir helfen, einen Erstauftrag zu formulieren. Und dann haben mir die Schuhe um 300.000 Schilling aufgeschrieben. Und obwohl ich kein Geld gehabt habe, habe ich freundlich unterschrieben, damit die nicht merken, dass i nix hob. Und bin Autostop wieder heimgefahren.

Und dann habe ich 2 Tage meine Freunde angerufen. Habe denen erzählt, dass ich um 300.000 Schilling Schuhe bestellt habe, dass ich kein Geld habe und ob sie mir nicht ein wengerl a Geld borgen tatn. Und in lauter Portionen von 5000 oder 10.000 Schilling habe ich in 2 Tagen das Geld zusammentelefoniert gehabt, das ich zum Anfangen gebraucht habe. Das war im 80er Jahr.

Moderator:     300.000 Schilling waren damals eine unglaubliche Summe.

HS:      Ich würde sagen, das waren fünf Jahresgehälter von einem Schuster.

Moderator:     Das, was Sie jetzt gerade beschreiben Die Geschichte, zeichnet eines aus: Sie haben völlig angstfrei agiert in ihrem Leben. Und ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Thema in Ihrem Leben. Die Angst, und die Überwindung der Angst oder dieses Wegstecken der Angst und über das würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten.

Pause Musik

Moderator:     Heinrich Staudinger zu Gast heute bei uns in Cafe am Sonntag. Und wie wir gerade gehört haben, als junger Exmedizinstudent ist er mit dem Auto nach Dänemark gestoppt, was ja heute prinzipiell auch nicht mehr funktionieren würde. Autostopper, das stirbt ja heute langsam aus, diese Spezies.

HS:      Da hab ich eine lustige Erfahrung gemacht. Ich bin wegen meinem Konflikt mit der Finanzmarktaufsicht in Österreich so bekannt geworden, dass das einen klassen Nebeneffekt hat. Seit ich so berühmt bin, geht’s Autostoppen wieder sehr gut.

Moderator:     Wir wollten über die Angst sprechen: Wie ich gesagt habe: Autostoppen nach Dänemark, dort Schuhe im Warenwert von 300.000 Schilling damals noch übernehmen, nach Hause kommen, Freunde anrufen: Bitte helfts mir aus, da würden sehr viele angstgesteuerte Menschen sagen: Um Gottes willen, das mach ich doch nie und nimmer!…. Wie rechnen Sie eigentlich den volkswirtschaftlichen Schaden von Angst aus, wie viele Leute an ihren Lebensplänen vorbeigehen, die das, was Sie gemacht haben, nicht machen?

HS:      Ich würde sagen, der volkswirtschaftliche Schaden ist das eine, aber das viel Schlimmere ist ja, dass das Leben manchmal gar nicht stattfindet, weil bevor das Leben außer will, sagt die Angst schon: Tuas net, sei vernünftig, bleib gscheit. Und halt dich an die vorgegebenen Gleise. Und jetzt glaub ich, dass der eigenen Sehnsucht folgen, heißt oft mit dem Mainstream in Konflikt kommen und der Mainstream hat eine so gemein schützende Hülle. Wenn du da dazugehörst, bist du nicht allein. Und um dieses Alleinsein nicht zu riskieren, riskieren viele, dass sie der eigenen Sehnsucht nicht folgen. Und dann eigentlich eine Traurigkeit ernten. Und ich finde auch das so etwas Trauriges, dass das in Österreich 1 Million Leute regelmäßig Psychopharmaka nehmen, dass sie den Wahnsinn aushalten. Und ich glaube, dass es nichts gibt in unserem Leben, was uns mehr hindert, als die eigene Angst.

Moderator:     Wie ist der Heini Staudinger diesem Mainstream und dieser Angst entkommen?

HS:      Ich glaube, dass das Angstgen, das ich so von Geburt an in der Familie mitgekriegt habe, nicht wahnsinnig stark war. Und wenn das Angstgen schwach ist, dann kommt man automatisch dazu, dass man ein bisschen mehr probiert. Und im Probieren steckt natürlich immer auch Scheitern. Aber immer wieder auch Lebensfreude, Liebe, Glück. Und ich bin amal draufgekommen, ich hab das Lied von den Beatles übersetzt: Let it be. Die erste Strophe heißt. When I find myself in times of trouble mother Mary comes to me speaking words of wisdom: Let it be. Und wir wollten das in unserem Werbeheftel abdrucken und da hat es schon Leute gegeben, die sich beschwert haben:, dass wir englische texte nicht ins deutsche übersetz: und ich habe zum Didi, zum Grafiker gesagt: „Didi, i hab scho a Übersetzung, die könn man zwar net abdrucken, aber sagen möchte ichs dir doch.“ Und die Übersetzung hat geheißen: „Wenn ich Wickel habe, kommt d’Mizzi Mamsch und sagt in ihrer Gscheitheit: „Geh, scheiß di net an! „ Und während i des gsagt hab, hat der Didi des schon in Computer einetippt ghabt und i hab gsagt: „Didi, des könn ma net abdrucken!“ Hat der Didi gsagt: „Geh, scheiß di net an!“

Und das war eine ganz wertvolle Ermutigung, dass ich mich nicht vor dem fürchten soll, was so in mir drinnensteckt. Und ich habe das dann auch in der Firma weitergesagt, und habe gemerkt, dass in dem Satz allgemein eine große Ermutigung drinnensteckt und habe drum auch diesen Satz zum Firmengrundsatz Nr. 1 erklärt.

Das klasse ist ja, wenn du das sagst, erntest du eigentlich immer einen Lacher, erntest du immer ein mutiges Gesicht.

Moderator:     Aber man muss Firmengrundsatz Nummer 1 auch ein wenig relativieren, denn da kommt ja auch Firmengrundsatz Nr. 2 ins Spiel: ich persönlich kenne auch schon einige Leute, die nach Firmengrundsatz Nr. 1 leben und permanent damit auf die Goschn fallen, wenn man das salopp ausdrucken will. Das heißt, man muss also schon da gewisse Dinge berücksichtigen. Und da kommt Firmengrundsatz Nr. 2 ins Spiel.

HS:      Das habe ich auch natürlich gemerkt im Laufe der Zeit, dass nur mutig sein manchmal nicht ausreicht, und darum haben wir einen zweiten Firmengrundsatz entwickelt, und der heißt: „Bitte sei net so deppat!“ Und jetzt mit Mutig sein und Klug sein da haben wir jetzt ein Paket, das schon starke Werkzeuge zur Umsetzung von Wünschen, Sehnsüchten und Plänen beinhalten und ich habe mit meinen Neffen und Nichten immer wieder über meine Firmengrundsätze diskutiert und das hat mir eine Riesenfreude gemacht, weil kleine Kinder verstehen das sofort, dass uns Angst hindert und lähmt, und sie verstehen auch, dass gscheit sein a wertvolle Hilfe ist dass man was zsammbringt, dass man was durchsetzen kann.

Und eines Tages hat die Rosi gsagt.: „Du Heini, habt’s net no an dritten Firmengrundsatz?“ Und da wollte ich sie einfach nicht enttäuschen, ich habe geglaubt, die zwei sind eigentlich genug, und habe gesagt: „Ja, freilich haben wir noch einen dritten Firmengrundsatz, Um Zeit zu gewinnen, habe ich gesagt: „Und der ist der allerwichtigste!“ und dann ist mir eh schon eingfallen, dass klug und mutig a Einbrecher a sein kann! Und dann habe ich gesagt: „Der dritte Firmengrundsatz ist der allerwichtigste: Das ist die Liebe.“

Moderator:     Ich weiß, Sie sind kein Lebenshilfeberater, sie sind Unternehmer, wenn auch eine ganz andere Art von Unternehmer. Aber: Wenn Sie so über diese Dinge, diese Angstfreiheit sprechen, dann sind das natürlich Sachen, die für Sie speziell gelten. Aber was machen Menschen, die sich das anhören und die sagen: „Ja, aber so einfach ist das nicht!“ Die in diesem System viel verhafteter sind, eingesperrt sind, die diese Freiheiten nicht haben? Ich habe unter anderem mit Roland Düringer darüber gesprochen, weil der sich natürlich auch eine Freiheit herausnehmen kann aufgrund seines finanziellen Hintergrundes.

Das heißt, das was für Sie gilt, gilt nicht für viele Durchschnittsbürger. Wie kann man von dieser Angstfreiheit sich quasi selber etwas abschneiden, gibt es die Möglichkeit überhaupt?

HS:      Ich glaube ja nicht, dass man von 0 auf 100 springen soll. Aber von 0 auf den nächsten Schritt und dann wieder den nächsten Schritt und dann den wieder nächsten Schritt. Das glaube ich, ist eine Bedingung, dass man wieder ins Leben hineinkommt. Der Meister Eckhart hats so gesagt: Du musst wissen, dass sich noch nie in diesem Leben ein Mensch so weit gelassen hat, dass er nicht gefunden hätte, er müsse sich nicht noch mehr lassen.

Und ich finde, dass mein Firmengrundsatz: „Scheiß dich net an!“ klingt witzig, aber in Wirklichkeit ist es eine ernste Sache, und der häufigste Satz vom Jesus hat ja geheißen: „Fürchte dich nicht!“ Und zwar eben aus gutem Grund. Weil er natürlich gewusst hat, dass sich das Leben nicht erfüllen kann, wenn man in Angst verharrt.

Moderator:     Das ist schon richtig, aber sowohl Meister Eckhart als auch Jesus hatten keinen 9 to 5 Job, mussten dann nach Hause eilen und dann irgendwie zwei Kinder versorgen und schaun, dass das Essen auf dem Tisch steht – also ich möchte da nicht so klassisch schwarz-weiß das Bild der Hausfrau malen, das gilt auch für Männer und Frauen wechselseitig. Wissen Sie, deswegen sind diese philosophischen Ansätze schon richtig, aber für das heutige Leben für viele nicht lebbar. Sie sind in ganz weite Ferne gerückt!

HS:      Das spüren wir aber auch oft, dass das, weil wir uns in den Sachzwängen fesseln lassen, ist es so, wie es ist. Ich habe einmal in einem Buch gelesen: Die Welt ist so, wie wir sind. Und habe mir gedacht: Um Gottes willen, so grauslich bin ich aber nicht! Und dann beim gründlicher Nachdenken habe ich gemerkt, dass immer dann, wenn ich nicht so grauslich bin, meine Welt tatsächlich a bissi weniger grauslich ist. Und das spüren wir ja selber. Wenn wir uns immer wieder hinpeinigen lassen, Sachzwängen zu folgen, von denen wir längst überzeugt sind, dass sie destruktiv sind, dann ernten wir auch genau das, was wir ohnehin spüren, nämlich Zerstörung und Destruktivität.

Moderator:     Eine Form der Destruktivität in unserem Leben ist natürlich der Hang zum Geld.

HS:      Ohne Zweifel.

Moderator:     Wir haben das in den letzten Jahren erlebt, die Finanzkrise, die Banken, die gerettet werden müssen, während Sie sich überlegen müssen, wie Sie alleinerziehende Mütter gerecht bezahlen können, ist es beim Kapitalismus so, dass der dermaßen außer Kontrolle geraten ist, wie beim Weinlieber, der aber eigentlich Alkoholiker ist.

HS:      Das ist ein netter Vergleich. Auf der einen Seite ist er außer Kontrolle geraten, auf der anderen Seite hat man das Gefühl, dass es da Regisseure gibt, die sehr wohl wissen, wohin die Reise geht und wenn ich mir vorstelle, dass z.b. der reichste Konzern der Welt, Apple, keine Steuern zahlt, während der kleine Elektriker, der kleine Schuster, Buchhändler Steuern zahlen muss, aber Amazon keine Steuern zahlen muss! Die ihn umbringen. Und da heb ich das Gefühl, diese Konzerne haben eine sehr klare Strategie, wohin sie wollen und das glaube ich aber auch, dass sie mit ihrer Gier eigentlich die Grundlagen in einer Weise zerstören, dass sie letztendlich das Feld zerstören, auf dem auch sie ernten wollen.

Moderator:     Und schon sind wir bei den Auswüchsen des Kapitalismus. Aber beginnen wir doch beim Geld. Dieser Frage hat sich auch unser Glossist der Woche, Günther Pal, alias Gunkel gestellt.

Gunkel über Geld.

Moderator:     Ganz viele Themen: Die Banken, auch ein Thema in ihrem Lebenslauf. Aber man hat wirklich den Eindruck, dass sie aus der Krise von 2008 nichts gelernt haben, dass sie uns aus der Krise von heute schon wieder die Renditen von morgen versprechen.

HS:      Furchtbar. Auf der einen Seite gibt es da diese Finanzakrobatik, von der auch der Gunkel jetzt sagt, das ist etwas unbegreifliches, und zwar im Sinne des Wortes. Man kann es nicht greifen. Und es stimmt ja auch, was er sagt, dass das Geld, dem wir uns verpflichtet fühlen, quasi gar nicht da ist, Und wenn der Dragi sagt, er wird 1,4 Billionen Euro im 15er Jahr in die europäische Bankenlandschaft pressen, dann ist eines klar, nämlich dass das, bevor er es gesagt hat, hat es es nicht gegeben. Und dass er es nicht erzeugen kann und nicht mit eigener Leistung dafür gradstehen kann, ist auch sonnenklar.

Und das wahnsinnige ist ja, dass wir uns dieser Akrobatik in dieser Weise ausgeliefert haben, dass es die ganze Gesellschafts- und Wirtschaftslandschaft eigentlich im Griff hat. Während mein Alltag sagt mehr oder weniger deutlich. Geld ist ein Werkzeug, das sehr vielseitig einsetzbar ist.

Moderator:     Aber Sie selber haben sich ja vom Geld mehr oder weniger verabschiedet. Sie haben vor vielen vielen Jahren alles aufgelöst, was Sie hatten: Bausparverträge, Sparbücher und Sie haben alles in die Firma gesteckt. Sie haben eigentlich kein Bargeld mehr, ist das richtig.

HS:      Ja. Das hat eine nette Vorgeschichte: Mich hat 1999 ein Bankdirektor schockiert, weil er mir den Kreditrahmen von 12 Mio. auf 7 Mio. Schilling gekürzt hat. Wir haben brillante Zahlen gehabt. Und ich habe geglaubt, wenn ich ihm die Zahlen zeige, wird er seinen Beschluss zurücknehmen und er hat sich aber einen Spaß daraus gemacht, mir klarzumachen, dass er mir keine Rechenschaft schuldig ist.

Moderator:     Also: Er ist Ihnen keine Rechenschaft schuldig, Sie ihm aber schon?

HS:      So hat er es gemeint. Und ich war dann so schockiert, dass der in ein Vertragsverhältnis in dieser Unverfrorenheit eingreifen kann, dass ich mir gedacht habe: Um Gottes Willen: Es gibt für meine Firma kein wichtigeres Ziel mehr als bankenunabhängig zu werden. Und in meiner Vorstellung 1999 hat das geheißen: Wir müssen schuldenfrei werden.

Und bis zum Jahr 2003 waren wir dann tatsächlich in etwa schuldenfrei . Und wie wir dann schuldenfrei waren, habe ich mir gedacht: „Wie hältst du das eigentlich selber mit dem Geld?“ Und dann habe ich gemerkt, ich habe für meine zwei Buben zwei Bausparvertrage, habe für mich einen Bausparvertrag, habe eine Lebensversicherung für mich und habe mir denkt, dass ich eigentlich einer bin, der nicht so am Geld hängt und dann habe ich mir gedacht: Wenn ich nicht so sehr am Geld hänge, warum habe ich denn das alles? Und von diesem Gedanken bis zur Auflösung von dem allen habe ich ungefähr ein halbes Jahr gebraucht. Und ich habe mir immer gedacht: Wenn ich geistig nicht dran hänge, dann hänge ich in Wirklichkeit ohnehin nicht dran. Und dann kann ich es ja doch haben. Und irgendwann einmal habe ich dann gemerkt, hoppala das sind alles faule Ausreden, gezinkte Karten und habe alles aufgelöst und habe mich gewundert, welch befreiendes Gefühl aus der Auflösung von all diesen Bausparverträgen entstanden ist.

Moderator:     Na gut, aber Sie sind ja nicht hergegangen und haben es her geschenkt, sondern Sie haben es ja investiert. Also auch wenn der Gegenwert Ihres Geldes nicht da ist, steckt es doch in Ihrer Firma. Das heißt, sie sind als Unternehmer auch sehr sehr an dem wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens verbunden.

HS:      Das spüre ich ganz ganz deutlich, dass ich da ganz privilegiert Umstände habe. Denn wenn ich kein Geld habe, dann gehe ich zur Bettina in unserem Werksverkauf und sage: Bettina, gib mir a paar hundert Euro und jetzt geht das Geschäft hervorragend, d.h. die Bettina hat immer die paar hundert Euro für mich.

Moderator:     Geht das bei mir auch? Bettina klingt wie Bankomat!

HS:      Da müssen wir vorher noch reden drüber. Und das eine stimmt natürlich. Sollte mit meiner Firma das schief gehen und meine Firma in Konkurs gehen, dann hätte ich tatsächlich keinen Groschen auf der Seite, und ehrlich gesagt, ist mir das ein sympathisches Gefühl, dass mein Schicksal 1:1 verknüpft ist mit dem Schicksal meiner Mitarbeiter und so gesehen ist das Projekt Waldviertler Werkstätten und GEA ein Gruppenprojekt und nicht ein Soloprojekt vom Heini.

Moderator:     Kommen wir noch einmal auf die Banken zu sprechen. Heli Deinböck Kabarettist und Liedermacher in Ö hat sein zwiespältiges Verhältnis zu Banken liedtechnisch verarbeitet.

Eigentlich Sind sie ein schlechter Bankkunde, Herr Staudinger. Wenn Sie keine Sparbücher mehr haben, alles in die Firma gesteckt haben, Ich habe das Gefühl, denn die Banken versuchen ja immer mehr, und mehr, deswegen gibt es ja auch immer mehr die Form der bargeldlosen Zahlung, weil heute, sollte es Probleme geben, stellen wir das in Zypern, Griechenland, die Leute stehen vor dem Bankomaten und heben das Bargeld ab, das kann man ja viel leichter regulieren!

HS:      Es ist de facto auch der Mensch wahnsinnig gut kontrollierbar, wenn jeder Zahlungsvorgang über die Elektronik gespeichert werden kann und ohne Zweifel ist in dem modernen Leben das Geld ein wahnsinniges Bindemittel, das in alle möglichen Zwänge hinleitet, und da möchte ich sagen: Meine Eltern haben eine Greißlerei gehabt und mit der Greißlerei ist es im Laufe der Jahrzehnte immer schlechter worden und sie haben immer gesagt: So lange wir das Auskommen haben, gibt es nix zum Jammern. Und ich sage: Ich habe es dann in der Schule eleganter gelernt, der Seneca hat nämlich gesagt: „Nie ist zu wenig, was genügt!“ Und jetzt glaube ich, dass in dieser Genügsamkeit – wobei man ja nicht vergessen darf, dass er ja nicht sagt, du sollst nicht genug haben, sondern er sagt, du brauchst nicht mehr als genug. Und – aber dass in dieser Genügsamkeit nicht mehr zu brauchen als das Nötige ohne jeden Zweifel das größte Paket der persönlichen Freiheit schlummert.

Moderator:     Aber wir alle sitzen in diesem Zug und keiner wagt es auszusteigen. Das Unglück beginnt doch dort, wo ich immer das Gefühl habe, ich genüge nicht, weil ich habe nicht die aktuelle Version von diesem Smartphone, ich habe nicht dieses Auto, ich kann mir diese Marke nicht leisten, ach herrjeh und mein Fernseher hat auch keine 3D-Funktion – Sie wissen genau, was ich meine! Aber wo stoppen wir das? Ich bin froh, dass ich kinderlos bin. Weil ich das bei meinen Freunden immer sehe: Dieser Wettbewerb, der heute schon in den Schulen stattfindet, da Kinder großzuziehen, und denen zu sagen: „Nein, du bist ein großartiges Wesen, auch wenn du nicht dieses oder dieses hast!“ Wie wollen wir aus diesem Zug aussteigen, wie bringen wir den zum Stehen?

HS:      Ich glaube, da haben Sie etwas wichtiges gesagt. Es geht mit dem los: „Ich genüge nicht!“ Und in dem Fall, dass es diesen Gedanken in mir gar nicht gibt, dann probiert die Werbung, mir das klarzumachen. Du genügst nicht, du musst dir das kaufen, musst dir das kaufen, musst dir jenes kaufen. Und das finde ich auch so eine zerstörerische Kraft der Werbung. Weil sie eben grad immer wieder sagt: So, wie es jetzt grad ist, ist es nicht recht. Du brauchst des und des nächste, um des zu sein, wovon du träumst.

Und jetzt glaube ich auch, dass das so die ganz ganz wesentlichen Säulen der Freundschaft sind, dass ich sage: „Ich mag dich so, wie du bist!“ Und da glaube ich, gehört eben auch dazu, dass man nicht nur diese zuckersüße Freundschaft pflegt, sondern auch die ehrliche, die manchmal auch wehtut. Weil man von außen oft genauer sieht, dass sich mein Freund verrennt. Und wenn wir da Wege finden, pflegen und üben, wie wir aufrichtig zueinander san, dann merken wir, wir sind nicht Superstars, aber noch immer liebenswürdig.

Und diese Liebenswürdigkeit zu pflegen, machet uns weniger anfällig für die Versprechungen und Verführungskünste der Werbung und des Geldes.

Moderator:     Aber dieses Nicht-Genügen war ja vor vielen Jahren der Auslöser der Finanzkrise, weil der amerikanische Traum gelebt werden musste. Und das war der Traum vom Eigenheim. Und man hat mit günstigen Krediten die Leute dazu angehalten, sich zu verschulden, sich ein Haus zu kaufen und irgendwann konnten diese Kredite nicht mehr bedient werden. Wir kennen die Geschichte und die Schulden, die Kredite wurden in Finanzprodukte aufgeteilt und über den Globus verkauft.

Warum ich darauf jetzt zu sprechen komme ist, weil wir die Finanzkrise heute schon einmal hatten in dieser Sendung und weil der deutsche Kabarettist Claus von Wagner, der auch Teil der „heute“-Show im ZDF ist und auch Gastgeber der renommierten Sendung „die Anstalt“ ist, der hat sich seine Gedanken zum Thema Finanzkrise gemacht,

Einlage mit Claus von Wagner. Ist in der zweiten Klasse ein Pilot?

Moderator:     Klaus von Wagner zum Thema Finanzkrise und weil das ein deutscher Beitrag war, hat die Stewardess eher wie Angela Merkel geklungen. Wäre es ein österreichischer Beitrag, wäre es der Chefsteward gewesen, der vielleicht wie Werner Faymann geklungen hätte. Ja, aber man sieht wieder einmal diese Angststeuerung. Wir haben eigentlich überhaupt keine Ahnung, was in dieser großen Finanzwelt passiert, Für Sie als Unternehmer haben sie haben sich ja von diesen Prozessen komplett abgekoppelt. Das ist ja auch eine Freiheit, die Sie sich genommen haben, und vor allem, die sie auch leben können da im Waldviertel, was ja beachtenswert ist.

HS:      Ich sage das gerne, dass man nicht darauf hoffen dürfen, dass Angela Merkel und Werner Faymann das schon richten werden, dass alles gut geht. Ich glaube, dass wir selber schaun müssen, wie wir irgendwie den Boden pflegen, in dem unser Leben stattfindet und ungeachtet der Gefahren gibt es eine Möglichkeit, wie wir unsere eigene Würde pflegen oder fahrlässig aufs Spiel setzen. Und da glaube ich, dass das ungeachtet der Epoche einfach zu den geheimnisvollen Aufgaben des Lebens gehört, wie wir diesen höchsten Wert des Lebens pflegen. Und da glaube ich, dass das z.b. in der Nazizeit wesentlich schwieriger war. Die Leute haben viel mehr riskieren müssen, wenn sie sich’s mit dem Regime angelegt haben. Und das, was wir riskieren müssen, das heißt vielleicht ein bisschen einen Abschied aus der Komfortzone, nur Komfortzone in der Überdosis von Konsum führt ja oft zu Erschöpfung. Es ist ja nicht einmal glaubwürdiger Komfort, den man dann in den Mienen der Reichen sieht, sondern sie sind genauso erschöpft wie alle anderen auch.

Und darum glaube ich, dass wir uns in Eigenverantwortung auf die Spurensuche machen müssen, wo denn das Leben schlummert und ich sage: Wir dürfen uns nicht versklaven lassen. Die Marie von Ebner-Eschenbach hat das so schön gesagt: “Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit“ Und jetzt sage ich. In die Freiheit kommen wir nicht gratis. Ich habe es einmal so geschrieben: Wir müssen sie bezahlen. Mit der harten Währung der Selbstverantwortung.

Moderator:     HS bei uns im Cafe Sonntag. In Schrems ist die Welt noch in Ordnung bzw. ist sie wieder in Ordnung. Sie haben ja durch die Ansiedlung des Betriebes bzw. den auf- und Ausbau des Betriebes sehr sehr viel ausgelöst. Vor allem ist es ja so, dass Leute eher in die Stadt flüchten, das heißt, es gehen Ihnen ganz viele Arbeitskräfte verloren. Welche Anreize bieten Sie, dass die Leute wieder nach Schrems, in die dörfliche Umgebung kommen? Gibt es da Möglichkeiten.

HS:      Das Waldviertel hat das Wort Krisenregion geerntet, weil dort die Textilindustrie zugrundegegangen ist. Fast jeder zweite Arbeitsplatz im Waldviertel war Textilindustrie. Und wir haben jetzt 170 Leute in Schrems. Und natürlich ist das ein wichtiger Faktor. Sind wir ein wichtiger Faktor als Arbeitgeber. Aber es ist für uns auch wichtig, dass wir attraktiv sind. Dass Leute zu uns herziehen und mit uns arbeiten: In der EDV, in der Kommunikation usw. und da geht es natürlich auch um den Lebensraum Schrems und da gibt es viele klasse Sachen: Die Natur und die Ruhe und weiß Gott was. Und einen solchen schmerzlichen Punkt finde ich, dass der Stadtplatz so viel tote Häuser hat und das tut einem Lebensraum nicht gut, wenn der Tod aus den Fenstern rausschaut. Und da ist es mir so ein Anliegen, dass ma in den Stadtplatz des Leben zurückkriegen. Und wir möchten ein paar von unseren Werkstätten hinter die Schaufenster am Stadtplatz platzieren.

Und ich finde das so eindrücklich. Die Häuser am Stadtplatz sind tot. Und jetzt kann man 200.000 und 500.000 in die Häuser reinstecken und sie werden trotzdem nicht mehr wert sein, weil sie in der Krisenregion Waldviertel stehen. Und jetzt spüren wir Wertstiftend für so ein Haus kann nur sein das Leben. Und erst wenn das Leben in das Haus einzieht, können wir Geld als Werkzeug sinnvoll brauchen. Und ich sage: Wer Vitalität pflegt, wird Lebensfreude ernten, wer Geld pflegt, vielleicht Zinsen.

Moderator:     Sie haben auch darüber gesprochen, dass das kulturelle Angebot in Regionen wie Schrems nicht so vielfältig ist wie in der Stadt, aber trotzdem haben Sie es geschafft, dass am Donnerstag dieser Woche Konstantin Wecker in Schrems aufgetreten ist?

HS:      Das betrachte ich als ein großes Glück. Und zwar: Der Wecker war im 12er-Jahr das erste Mal bei uns und da haben seine Musiker behauptet, der Wecker und du ihr habt’s was gemeinsames. Und in der Zwischenzeit haben wir das Kundenmagazin Brennstoff einmal ganz dem Wecker gewidmet und da haben wir so ein bisserl gesagt: Wir zwei haben etwas Gemeinsames, wir sind beide Kampfpiloten der Sehnsucht und dass der Wecker dann bei uns in Schrems auftritt, das stärkt natürlich irgendwie die sehnsüchtigen, nach Leben hungernden Menschen und eigentlich geht’s mir nicht um das, dass dank unserer Firma Kultur in Schrems ist, sondern dass die Kultur eigentlich das Lebendige in einer Weise aufbricht und beflügelt, dass es mir in diesem Lebensraum gut geht. Das finde ich eigentlich die wertvollste Ernte von diesem Engagement.

Moderator:     Auf Wunsch von HS Konstantin Wecker: Wut und Zärtlichkeit.

Moderator:     Herr Staudinger: Zum Abschluss: Wir haben über so viele falsche Wege in der momentanen Gesellschaft gesprochen. Die Änderung, der Wechsel. Glauben Sie, dass wir von uns aus umkehren werden, oder müssen wir auf den großen Knall warten, damit wir endlich kapieren, dass wir auf dem Holzweg sind.

HS:      Ich finde, für den großen Knall sind ja wir nicht verantwortlich. Wir können nicht an dem Radl drehen, das schnalzt. Aber wir können Verantwortung für unser Leben übernehmen. Und da glaube ich, dass die innere Sehnsucht der wichtigste Wegweiser ist. Und ich habe einen Satz von Goethe so gerne, der sagt: „Mein guter Freund, das wird sich alles geben. Sobald du dir vertraust, weißt du zu leben.“

Moderator:     Herr Staudinger, ich könnte mit ihnen ewig weiterplaudern, ich habe diese Stunde sehr genossen mit Ihnen hier im Cafe Sonntag und wünsche weiterhin viel Erfolg, eine angstfreie Zukunft Ihnen und Ihren Mitarbeitern. Und wie ist das mit der Finanzmarktaufsicht ausgegangen eigentlich? Gibt es da schon einen endgültigen Bescheid?

HS:      Da gibt es eine seltsamen Ausgang. Und zwar: Vor drei Jahren hat die FMA gesagt, sie müssen gegen mich einschreiten wegen dem Anlegerschutz. Und die Lösung ist jetzt das: dass die Anleger eine sogenannte Nachrangsklausel unterschreiben. Das heißt, dass ihre Forderung an mich nachrangig behandelt wird gegenüber dem Finanzamt, der Sozialversicherung, der Bank und allen anderen Rechnungen. Der Private kommt als letzter dran. Und jetzt sage ich: Wenn der private Geldgeber unterschreibt, dass er weiß, dass er im Zahlungsunfähigkeitsfall sowieso der letzte Trottel ist, dann passt es.

Moderator:     Herr Staudinger, das war jetzt das Schlusswort.

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